Vor fast zehn Jahren hat Gion Jäggi seine Ausbildung zum Büroassistenten EBA bei Brüggli abgeschlossen. Heute arbeitet der begeisterte Powerchair-Hockey-Spieler in der Marketing-Abteilung von PluSport.
Gion Jäggi begrüsst mich mit einem Lächeln und einer Auswahl an Broschüren, Flyern und Magazinen zum Sportangebot von PluSport. Er trägt ein Hemd mit Logo-Aufschrift. Man merkt schnell: Er ist Marketing-Mann durch und durch. «Ich rede und schreibe gerne und ich mag es, kreativ zu sein», erzählt er und fügt an: «Mich fasziniert das Unerwartete. Im Marketing sind die Arbeitsprozesse immer wieder etwas anders, es braucht geistige Flexibilität.» Bei PluSport arbeitet er seit sieben Jahren als «Assistent Medien und Digitale Medien» und ist demnach mitverantwortlich für die Online-Auftritte des Verbands für Behindertensport in der Schweiz. Das heisst, dass er unter anderem Beiträge in den sozialen Medien verbreitet, Newsletter erstellt, Texte verfasst, Adressen verwaltet und beobachtet, wie und was die Medien über PluSport berichten.
«Es gefällt mir hier sehr», fasst Gion Jäggi zusammen. Nur der Standort sei nicht optimal, wenn man mit dem ÖV anreise. Gion Jäggi wohnt in St.Gallen und pendelt nach Volketswil im Kanton Zürich, wo sich die Geschäftsstelle von PluSport befindet. Die Strecke führt über den Bahnhof Schwerzenbach. Dieser sei allerdings nicht wirklich barrierefrei. Bis es Gion Jäggi in seinem Rollstuhl vom Gleis bis zur Bushaltestelle geschafft hat, ist der Bus schon längst abgefahren. Er fährt deshalb mit dem Zug von St.Gallen nur bis nach Winterthur und nimmt dann das Taxi nach Volketswil. So kann er sicher sein, dass er pünktlich bei seinem Team im Büro ankommt. In seiner Abteilung ist Gion Jäggi bestens integriert. Wenn es zum Beispiel darum geht, etwas in den sozialen Netzwerken zu bewerben, wissen seine Teamkollegen, dass sie bei ihm an der richtigen Adresse sind. «Gion unterstützt uns alle, indem er unsere Themen in den digitalen Medien genau richtig in Szene setzt. Wir sind froh, dass wir ihn bei uns im Team haben», sagt seine Kollegin Anita Fischer, die für Anlässe und Fussball-Projekte verantwortlich ist, über den 28-Jährigen. Gion Jäggi arbeitet zwei Tage pro Woche bei PluSport. Die Teamsitzungen werden immer so gelegt, dass er daran teilnehmen kann. Das stärkt den Teamzusammenhalt.
«Es braucht viel geistige Flexibilität in meinem Job.»
Neben seinen Aufgaben im Büro unterstützt Gion Jäggi das gesamte PluSport-Team unter anderem auch an Messen oder Sport-Anlässen. So wird er zum Beispiel im nächsten Mai am Cybathlon der ETH Zürich sportbegeisterte Menschen über die Angebote von PluSport informieren und sie ihren Bedürfnissen entsprechend beraten. Der Cybathlon ist ein Wettkampf für Menschen mit Behinderungen, die durch robotische Assistenzsysteme unterstützt werden – zum Beispiel mit neuartigen Rollstühlen, die Treppen überwinden können. Aber auch an eigenen Anlässen von PluSport wie dem Behindertensport-Tag ist Gion Jäggi jeweils mit dabei. Dieser Event findet jedes Jahr statt und stellt einen Höhepunkt für die zahlreichen Sportclubs und deren Mitglieder dar. «Es ist eigentlich wie ein grosses Turnfest», erklärt Gion Jäggi. Für einmal hat seine Aufgabe dann nichts mit Marketing zu tun. Er ist an diesem Tag nämlich mitverantwortlich für die Betreuung einer der vielen verschiedenen Disziplinen, in denen die Teilnehmenden ihr Bestes geben. Er verrät, dass es ganz ohne Medien dann aber doch nicht gehe: Zwischendurch setzt Gion Jäggi einen Post auf den Social-Media-Kanälen ab, um die sportlichen Eindrücke mit der Welt zu teilen.
Solche Anlässe seien immer eine Herausforderung und oftmals auch anstrengend, sagt er. «Aber sie geben einem auch viel! Ich empfinde es als extrem dankbar, mit den Sportlern und Mitgliedern an den Sportevents ins Gespräch zu kommen. Es ist schön und es motiviert mich, wenn ich sehe, dass die Leute Freude haben», erzählt Gion Jäggi. Er weiss, was es bedeutet, an diesen Anlässen mitmachen zu dürfen. Denn bevor er bei PluSport arbeitete, war er dort Teilnehmer. «PluSport kenne ich schon, seit ich ein kleines Kind bin. Ich war in den Sportcamps mit dabei. Der Verband war also schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens», sagt Gion Jäggi und man merkt, dass ihm das viel bedeutet. Auch heute ist er sportlich noch sehr aktiv: Er ist begeisterter Powerchair-Hockey-Spieler. Das ist Unihockey im elektrischen Rollstuhl. Sport sei meistens etwas Positives, hält er fest. Umso schöner, dass Gion Jäggi nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Beruf damit direkt zu tun hat.
«PluSport war schon immer ein Teil meines Lebens.»
Bis er beruflich dort ankam, wo er heute steht, musste Gion Jäggi allerdings einige Herausforderungen stemmen. «Mein Ziel war immer der 1. Arbeitsmarkt», sagt er bestimmt. Dass er seine Ausbildung im 2. Arbeitsmarkt bei Brüggli gemacht hat, sei aber genau richtig gewesen. Es habe immer alles gestimmt: die Arbeiten, die er verrichten durfte, die Schule und die verschiedenen Prozesse, mit denen er konfrontiert war. Während seiner Ausbildung zum Büroassistenten EBA hatte er die Möglichkeit, in die vielen unterschiedlichen Abteilungen bei Brüggli hinein zu schauen. «Ich habe mich immer überall wohlgefühlt, aber im Verkauf hat es mir am besten gefallen. Deshalb bin ich wahrscheinlich im Marketing gelandet», erzählt er schmunzelnd. Zusammen mit der Arbeitsassistenz von Brüggli suchte er während seiner Ausbildungszeit nach einer zweiwöchigen Praktikumsstelle im 1. Arbeitsmarkt. Beim Durchblättern der Angebots-Broschüre entdeckte er PluSport. Dort wollte er hin! Aber er war unsicher: PluSport setzte sich zwar für Menschen mit Behinderungen ein, war aber nicht darauf spezialisiert, diese im 1. Arbeitsmarkt zu betreuen. Würde das funktionieren?
Über einen Kontakt, den er noch von früher hatte, bekam Gion Jäggi tatsächlich ein zweiwöchiges Praktikum bei PluSport. Es gefiel ihm auf Anhieb und auch der Arbeitgeber war begeistert: Man wollte gerne weiterhin zusammenarbeiten. Die Mitarbeitenden bei PluSport setzten sich für ihn ein und versuchten herauszufinden, was möglich war. Zum Zeitpunkt von Gion Jäggis Ausbildungsabschluss hatte PluSport aber leider nicht die nötigten Ressourcen zur Hand, um eine Stelle für ihn zu schaffen, und so musste er sich zunächst beim RAV anmelden. Für PluSport war die Sache damit aber nicht abgehakt. Seine damalige Chefin und der Geschäftsführer setzten alle Hebel in Gang, damit es ein Jahr später dann doch noch klappte mit der Festanstellung. Er erinnert sich: «PluSport hat sich wirklich extrem stark für mich eingesetzt. Dafür bin ich ausserordentlich dankbar!» Seit sieben Jahren ist Gion Jäggi nun fest in den 1. Arbeitsmarkt eingebunden und in der ganzen Zeit sei ihm noch kein einziges Mal langweilig geworden. Das liege an der Vielseitigkeit, die der Job mitbringe, erklärt er und fügt an: «Ich mag es, dass mein Aufgabengebiet breit gefächert ist und nicht jeder Tag genau gleich abläuft. Das kann manchmal etwas herausfordernd sein, aber so bleibt die Arbeit spannend.»
«In sieben Jahren bei PluSport ist mir noch nie langweilig geworden.»
Gion Jäggi hat es geschafft: Er hat sein Ziel, im 1. Arbeitsmarkt Fuss zu fassen, erreicht – mit viel Durchsetzungswillen, der Freude an Herausforderungen und mit der Unterstützung von engagierten Mitarbeitenden von PluSport und der Arbeitsassistenz von Brüggli. Wenn Gion Jäggi an seine Zeit in Romanshorn zurückdenkt, erinnert er sich vor allem an Positives. Natürlich gibt es immer Höhen und Tiefen, aber das sei ja überall so – auch bei PluSport, sagt er. Während ich die Auswahl an PluSport-Broschüren, -Flyern und -Magazinen einpacke, möchte ich zum Abschluss noch wissen, was er heute für ein Bild von Brüggli hat. Er überlegt kurz und fragt, ob immer noch Leggero- und 4pets-Produkte hergestellt werden. Ich bejahe. Er lacht und sagt: «Dann ist ja alles noch beim Alten. Es wird bestimmt immer noch gut sein dort.»
Was macht PluSport?
Seit fast 60 Jahren bietet PluSport als Dachverband und Kompetenzzentrum des schweizerischen Behindertensportes ein breitgefächertes und zeitgemässes Angebot an attraktiven Sportmöglichkeiten. Dazu gehören 90 regionale Sportclubs und über 100 Sportcamps. Neben diesem Angebot organisiert PluSport auch nationale sowie internationale, kleine und grosse Sport-Veranstaltungen als Motivationsfaktor für den Nachwuchs, als Sensibilisierungsinstrument für die Gesellschaft und als Highlight für die 12’000 Mitglieder. Ziel ist stets die Integration und Inklusion durch Sport. Quelle: PluSport Behindertensport Schweiz
Was ist Powerchair Hockey?
Powerchair Hockey ist eine Behindertensportart, welche seit vielen Jahren in der Schweiz ausgeübt wird. Frauen und Männer spielen in gemischten Teams und unabhängig von Alterskategorien. Ein Team besteht aus vier Feldspielern und einem Torhüter. Je nach Behinderung spielen die Sportler mit einem gewöhnlichen Unihockeyschläger oder mit einer speziell angefertigten Schaufel, die am Elektrorollstuhl montiert ist. Gespielt wird analog dem Unihockey auf einem Feld mit Banden als Begrenzung. Die Spielzeit dauert 2 x 20 Minuten.
Quelle: Rollstuhlsport Schweiz, Schweizer Paraplegiker-Vereinigung
Larissa Herzog