«Kaufmännische Lernende sitzen den ganzen Tag nur rum und müssen immer die Kaffeemaschine reinigen»: Wie viel ist an diesem Klischee zur kaufmännischen Ausbildung dran und was erwartet die Lernenden von Brüggli in der Ausbildung? Wir haben drei Jugendliche über ihre Erfahrungen in der Ausbildung befragt.
Wie gefällt euch die kaufmännische Ausbildung bei Brüggli?
Andrés Eisenring: Im Grossen und Ganzen absolviere ich meine Ausbildung sehr gerne bei Brüggli. Ich merke, dass sich der Betrieb um mich kümmert und sich für mich interessiert. Ich werde unterstützt, wenn ich Probleme habe.
Shana Müller: Ich empfinde es als riesige Chance, dass ich hier eine kaufmännische Ausbildung abschliessen darf, obwohl ich in die Realschule ging. Auch wenn ich manchmal an meine Grenzen stosse. Dann wird mir unter die Arme gegriffen und mir werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie ich mich verbessern kann.
Anna Scavone: Mir gefällt die KV-Ausbildung bei Brüggli sehr gut. Ich bin sehr dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt. Mit meinen gesundheitlichen Schwierigkeiten hätte ich sonst Mühe, im ersten Arbeitsmarkt eine Lehre zu absolvieren und Fuss zu fassen
Wieso habt Ihr euch dazu entschieden, eine kaufmännische Ausbildung anzutreten?
Andrés Eisenring: Ich absolvierte zuerst eine Ausbildung als Telematiker, die ich aber aufgrund mangelndem praktischen Wissen nicht abschliessen konnte. Also schnupperte ich in unterschiedlichen Bereichen. Unter Anderem bei Brüggli im Aussenhandel. Das gefiel mir so gut, dass ich mich direkt entschied, hier eine KV-Lehre zu beginnen.
Shana Müller: Während meiner Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit hatte ich einen schweren Unfall und verlor beide Füsse. Meine Ausbildung konnte ich nicht mehr abschliessen. Also musste ich einen Beruf suchen, bei dem ich nicht allzu lange stehen muss. Da kommt spontan eine kaufmännische Ausbildung in den Sinn. Das KV war nicht meine erste Wahl, aber das ist auch ok. Ich bin sehr froh darüber, diese Ausbildung absolvieren zu können. Damit kann man sich in viele unterschiedliche Richtungen entwickeln und in vielen unterschiedlichen Branchen arbeiten.
Anna Scavone: Ich war zuerst an der Fachmittelschule. Doch nach eineinhalb Jahren liess es meine Gesundheit nicht mehr zu und ich musste abbrechen. Meine Gesundheit grenzt die Auswahl an für mich möglichen Berufen ziemlich ein. Ich kam zum Schnuppern und für ein Arbeitstraining zu Brüggli und entschied mich für eine kaufmännische Ausbildung hier. Eigentlich ist es komisch, dass ich vorher nie auf die Idee gekommen bin, das KV zu machen, weil es eigentlich genau meinen Interessen und Fähigkeiten entspricht. Das KV wird oft übersehen und die Leute merken erst später, wie toll es eigentlich ist.
«Das KV wird oft übersehen und die Leute merken erst später, wie toll es eigentlich ist.»
Anna Scavone auf die Frage, wieso sie eine kaufmännische Ausbildung absolviert.
Ist die KV-Ausbildung so, wie Ihr sie euch vorgestellt habt?
Shana Müller: Ich hatte eine komplett falsche Vorstellung von kaufmännischen Berufen. Mein Vater arbeitet auch in einem Büro. Ich dachte immer, dass man da den ganzen Tag alleine am Computer sitzt und nie mit anderen Menschen zu tun hat. Deshalb wollte ich eigentlich nie eine kaufmännische Ausbildung absolvieren. Ich brauche den Kontakt zu anderen Menschen. In der Ausbildung merkte ich aber schnell, dass man im Büro nie alleine ist. Ich habe die ganze Zeit mit Menschen zu tun und lerne auch viele Leute aus anderen Abteilungen kennen. Und auch bei den Aufgaben war ich überrascht, wie sehr sie mir gefallen. Ich dachte immer, das KV sei nicht mein Ding. Aber mittlerweile muss ich sagen, es gefällt mir doch sehr gut.
Anna Scavone: Die grösste Umstellung für mich war, dass wir nicht mehr an fünf Tagen schulischen Unterricht haben, wie an der Fachmittelschule, sondern nur noch an zwei Tagen. In der Fachmittelschule lernte ich, besonders im Homeoffice, mich zu organisieren und eine Struktur zu entwickeln. Das hilft mir sehr während meiner jetzigen Ausbildung. Was mich manchmal noch herausfordert, sind die vielen Projekte von der Schule, vom überbetrieblichen Kurs und von der Arbeit, die manchmal alle gleichzeitig anstehen.
Andrés Eisenring: Grösstenteils habe ich die Ausbildung so erwartet. Es ist kein Zuckerschlecken, aber wenn man in der Schule gut mitmacht, die Themen versteht, nicht zu lange fehlt und den Aufwand nicht scheut, ist die Ausbildung gut machbar.
Was sind typische Aufgaben in eurem Arbeitsalltag?
Andrés Eisenring: Ich bin aktuell in der Produktionsplanung im technischen Büro. Meine täglichen Arbeiten drehen sich um Produktionsaufträge. Erstellen, in die zuständige Abteilung schicken, wieder entgegennehmen und kontrollieren, ob alles richtig gemacht wurde. Da ist nichts dabei, das ich nicht so gerne mache. Vorher war ich im Einkauf. Dort gab es ein paar Aufgaben, bei denen es viel Interpretationsspielraum gab. Das mochte ich nicht so sehr. Ich habe es lieber, wenn es genaue Anweisungen gibt.
Shana Müller: Ich bin im Bereich Kasse im Rechnungswesen. Ich mache den Kassensturz, kontrolliere Belegeingänge und bearbeite Post- und Rechnungseingänge. Vorher war ich im Aussenhandel. Das war sehr interessant. Dort befasst man sich mit Import und Export von Waren und Produkten. In diesen eineinhalb Jahren lernte ich viel. Vor allem, dass mir das KV richtig gut gefällt.
Anna Scavone: Ich bin im technischen Büro im Einkauf. Hier gefällt es mir sehr gut, weil wir viele unterschiedliche Arbeitsschritte haben von der Bestellung bis zum Abschluss. Das Telefonieren fällt mir noch etwas schwer. Ich hoffe, dass ich mich darin in den nächsten Jahren noch ein bisschen verbessere.
«In der KV-Ausbildung lernt man Dinge, die man unabhängig vom Beruf können sollte.»
Andrés Eisenring auf die Frage, ob ihn Aufgaben in der kaufmännischen Ausbildung überraschten.
Wusstet Ihr denn, welche Aufgaben und Arbeiten auf euch zukommen, oder haben euch einige überrascht?
Andrés Eisenring: Ich schnupperte einmal bei meinem Vater im Geschäft. Er arbeitet im Personalbüro. Das sind ein bisschen andere Aufgaben als diejenigen, die ich jetzt habe. Aber ich hatte danach eine gute Vorstellung von Arbeiten im kaufmännischen Bereich. In der KV-Ausbildung lernt man Dinge, die man eigentlich unabhängig vom Beruf lernen sollte. Zum Beispiel, wie man eine Steuererklärung ausfüllt. Darüber bin ich sehr froh. Das nützt mir nicht nur im Beruf etwas.
Shana Müller: Ich habe bis jetzt noch keine Überraschung erlebt. Weder positiv noch negativ. Durch das Vorbereitungsjahr bei Brüggli hatte ich eine gute Ahnung davon, wie mein Arbeitsalltag aussehen wird.
Anna Scavone: Wie so viele habe auch ich unterschätzt, was man im KV alles lernt. Alleine die vielen Bereiche, in die man während der Ausbildung einen Einblick erhält, versprechen eine grosse Abwechslung an Aufträgen und Arbeiten. Ich habe bereits beim Schnuppern eine gute Vorstellung von der Ausbildung erhalten und gemerkt, dass mir das sehr gut gefällt. Nur einmal war ich überrascht von einem Auftrag. Und zwar müssen wir Zeitungen lesen und Artikel sammeln, die für den Betrieb interessant sein könnten. Diese Aufgabe gefällt mir sehr gut.
Was sagt Ihr zum Klischee, dass man im KV nur die Kaffeemaschine reinigt?
Andrés Eisenring: Ich habe dieses Klischee auch schon gehört. Die kaufmännische Ausbildung ist halt schwierig zu greifen, weil man in vielen unterschiedlichen Bereich ist und viele unterschiedliche Aufgaben hat.
Shana Müller: Und die meisten davon am Computer. Deshalb haben die Leute vielleicht das Gefühl, dass wir nur rumsitzen und nichts tun. Ich musste aber noch nie eine Kaffeemaschine bedienen, glaube ich.
Anna Scavone: Ich habe auch nicht das Gefühl, dass die KV-Lernenden heutzutage noch mit solchen Arbeiten ausgenutzt werden. Wir werden bei Brüggli so eingesetzt, dass wir nach der Lehre bereit sind für die Berufswelt. Ganz egal, ob wir noch im ersten Lehrjahr sind oder bereits im dritten.
Was sind denn Eure Ziele? Was wollt Ihr nach Eurer Ausbildung machen?
Andrés Eisenring: Darüber mache ich mir bereits seit einiger Zeit Gedanken. Ich würde gerne die Berufsmatura machen und mich auf das Thema Finanzierung spezialisieren. Dafür müsste ich aber mein Französisch noch etwas verbessern. Ein anderer Weg, den ich mir vorstellen könnte, ist, an die pädagogische Hochschule zu gehen und Lehrer zu werden.
Shana Müller: Ich würde nach meiner Ausbildung gerne wieder im sozialen Bereich arbeiten, in einem Spital oder einem Altenheim oder so. Dann halt im Büro anstatt in der Pflege. Hauptsache zurück in der Branche.
Anna Scavone: Ich bin noch im ersten Lehrjahr. Es gibt noch viele Bereiche, die ich noch nicht gesehen habe. Wenn mir ein Bereich sehr gut gefällt, möchte ich darin eine Weiterbildung machen und mich spezialisieren. Ich hätte gerne irgendwann eine Stelle, bei der ich meinen Hund mit zur Arbeit nehmen kann. Vielleicht gibt es im Bereich Tiermedizin etwas im Büro, das ich tun kann. Für diesen Bereich interessiere ich mich sehr. Das ist ja das Schöne am kaufmännischen Bereich. Man wird in jeder Branche gebraucht.
«Viele Leute haben das Gefühl, wir sitzen nur rum und tun nichts.»
Shana Müller auf die Frage, wie sie zum Klischee steht, dass KV-Lernende nur Kaffeemaschinen putzen.
Wie hilft euch Brüggli auf dem Weg in den Arbeitsmarkt?
Andrés Eisenring: Ich habe kürzlich mit einem Jobcoach von Brüggli meine Bewerbungsunterlagen für ein Praktikum zusammengestellt. Wenn alles gut läuft, kann ich dort sogar meine Ausbildung abschliessen. Brüggli unterstützt mich sehr dabei, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Ich hätte mir allerdings gewünscht, schon früher in der Ausbildung bei Brüggli Arbeiten mit Kundenkontakt ausführen zu können. In der Schule mussten wir kürzlich eine Arbeit dazu verfassen und ich konnte nicht wirklich auf eigene Erfahrungen zurückgreifen.
Shana Müller: Ich habe meine Bewerbungsunterlagen auch bereits zusammengestellt und wurde bezüglich Praktikumsplätzen beraten. Weil ich aber wegen einem Kniebruch länger ausfiel und mühsam viel Schulstoff nachholen musste, wurden meine Praktikumsbemühungen vorerst auf Eis gelegt. Ich bin froh, hat mir Brüggli keinen Druck gemacht und mir versichert, dass ich das Thema Praktikum auch später noch angehen kann.
Anna Scavone: Da ich noch im ersten Lehrjahr bin, ist ein Praktikum bei mir noch kein Thema. Erstmal ist es mir wichtig, richtig in die Ausbildung zu starten und mich wohl zu fühlen. Das Ziel erster Arbeitsmarkt wird dann im zweiten Lehrjahr angestrebt.
Welchen Rat würdet Ihr Eurem jüngeren Ich vor der Ausbildung auf den Weg geben?
Andrés Eisenring: Ich würde mir versichern, dass ich alles genau richtig mache. Es wird Momente geben, an denen es streng wird und ich an meine Grenzen komme. Aber dann darf man nicht verzweifeln und muss einfach locker bleiben.
Anna Scavone: Ich würde mir auch raten, etwas weniger perfektionistisch zu sein und nicht gleich meinen kompletten Lernprozess zu hinterfragen, wenn ich mal eine Note unter einer Fünf erhalte.
Shana Müller: Ich würde mir raten, in der Oberstufe mehr für die Schule zu tun. Auch würde ich mir raten, etwas entspannter an die Sache ranzugehen und mich nicht zu verkrampfen. Die Unterstützung von Brüggli hilft mir dabei sehr. Aber vor allem würde ich mir raten, nicht mit zwei Beinprothesen Schlitteln zu gehen.
Adrian Dossenbach, Kommunikationsspezialist