Esther Dercar leidet an Multipler Sklerose. Die Krankheit fordert ihren Tribut. Doch für Esther kommt aufgeben nicht in Frage.

Als Esther Dercar die Diagnose Multiple Sklerose (MS) erhielt, geriet ihr noch junges Leben aus den Fugen. Als ausgebildete Pflegeassistentin, die selbst MS-Patienten betreute, wusste die damals 25-Jährige genau, was die Diagnose für sie bedeuten kann. «Ich war geschockt. Der Gedanke daran, dass ich eines Tages ebenso im Rollstuhl landen oder bettlägerig werden könnte, machte mir grosse Angst», sagt sie. Doch ihr damaliger Freund fing sie auf. Er gab ihr die Kraft und Zuversicht, die sie brauchte, um nicht aufzugeben. Auch ihre Familie und Freunde unterstützen sie sehr. Zu Beginn machte sich die unheilbare und chronisch entzündliche Krankheit des zentralen Nervensystems vor allem durch starke Müdigkeit und Sehstörungen bemerkbar. Es folgten Taubheitsgefühle in den Beinen, Gedächtnisstörungen sowie Blasen- und Darmprobleme. «Diese Beschwerden sind für mich ein täglicher Kampf. Das kann sehr ermüdend sein», sagt sie. Seit etwa 20 Jahren braucht Esther einen Rollator als Laufhilfe. Bei weiteren Strecken nutzt sie einen Elektro-Rollstuhl. «Ich hoffe sehr, dass ich so lange wie möglich in der Lage bin, zu laufen», sagt sie. Um die Symptome zu verringern und um weitere Schübe zu verhindern, benötigt Esther täglich Medikamente. Mit Erfolg: Seit drei Jahren muss sie keine weiteren Schübe erleiden.

«Ich will so lange wie möglich selbständig laufen können.»

Gemeinsamer Austausch

Trotz aller Widerstände ist Esther voller Tatendrang und Lebensfreude. Sie liebt das Reisen und erkundet gern ferne Länder und Kulturen. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit guten Freunden und ihrer Familie. Sie unternehmen viel miteinander und geniessen die gemeinsame Zeit sehr. Sie feiern die Feste, wie sie fallen und schaffen so wertvolle Erinnerungen. Esthers Rat an andere MS-Betroffene: «Verkriecht euch nicht zu Hause. Geht raus und geniesst das Leben.»

Esthers Rat an alle MS-Betroffenen: «Geht raus und geniesst das Leben.»

Eine Zeit lang war Esther Mitglied eines Vereins für MS-Patienten. Der Verein trifft sich einmal im Monat in Heiden. «Es war immer sehr interessant zu sehen, wie sich die Krankheit bei anderen auswirkt. MS zeigt sich bei allen etwas anders. Das ist der Grund, warum Multiple Sklerose auch die Krankheit der tausend Gesichter genannt wird», sagt sie. Inzwischen hat Esther das Autofahren aufgeben müssen und kann nicht mehr an den Treffen teilnehmen. Den Kontakt zu anderen Betroffenen hält sie aber dennoch aufrecht.

Von Brüggli aufgefangen

Als Esther ihren geliebten Beruf als Pflegeassistentin aufgeben musste, fand sie bei Brüggli an der Zentrale eine neue, erfüllende Aufgabe. Dort blieb sie acht Jahre lang. Aktuell arbeitet sie im Co-Packing. Hier ist die 46-Jährige unter anderem für das Einpacken der Produkte von Caotina zuständig. Dadurch hat sie eine Tagesstruktur und die Möglichkeit, mehr unter Menschen zu kommen. Die gebürtige Holländerin pflegt mit ihren Arbeitskollegen ein sehr gutes Verhältnis. Das ist ihr wichtig.

Für ihre Arbeitskollegen hat Esther immer ein offenes Ohr.

«Ich habe immer für alle ein offenes Ohr und freue mich, wenn ich meinen Arbeitskollegen helfen und meine Sozialkompetenzen einsetzen kann. Das ist für mich eine wahre Wohltat», sagt sie. In ihrer Freizeit löst sie regelmässig Kreuzworträtsel, Sudokus und andere Denksportaufgaben. Auf diese Weise trainiert sie nicht nur ihr Gedächtnis, sondern auch ihre kognitive Leistungsfähigkeit. Denn die Angst, immer mehr zu vergessen, begleitet sie täglich. Um ihr angeeignetes Wissen und ihre Kompetenzen in der Pflege oder im kaufmännischen Bereich nicht ganz zu verlieren, will Esther diese in Zukunft wieder beruflich nutzen. Das ist ihr grösster Wunsch.

Katja Wohlwend, Mitarbeiterin Unternehmenskommunikation

Was ist Multiple Sklerose (MS)?

Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark sind – ähnlich wie bei einem Stromkabel – von einer schützenden Hülle umgeben. Bei Menschen mit MS ist diese Schutzschicht beschädigt. Auf diese Weise wird die Signalübertragung im Nervensystem gestört. Das führt zu zahlreichen Beschwerden wie etwa vorübergehende Empfindungsstörungen, Sehstörungen und Muskellähmungen. Auch Muskelzittern, Schluckbeschwerden, Gedächtnisstörungen, Libidoverlust sowie langanhaltende Kopf- Rücken- und Nervenschmerzen oder Inkontinenz können auftreten Die Krankheit tritt schubweise auf. Der Verlauf ist bei jedem anders. Deshalb wird sie auch als die Krankheit der tausend Gesichter genannt. Multiple Sklerose ist unheilbar. Mit Medikamenten lässt sich der Krankheitsverlauf jedoch verlangsamen und abschwächen. Eine physiotherapeutische Behandlung kann Schmerzen lindern, die Bewegung fördern und die geschwächte Muskulatur stärken. Die Koordination zwischen Sprechen und Atmen kann mit Hilfe einer Logopädin verbessert werden. Bei einer Ergotherapie trainieren MS-Betroffene grob- und feinmotorische Fähigkeiten sowie Rumpf- und Gleichgewichtsfunktionen. Oftmals nehmen MS-Patientinnen und MS-Patienten eine Psychotherapie in Anspruch, damit neben den körperlichen auch die seelischen Belastungen, die mit der Krankheit einhergehen, verarbeitet werden. Dank der verbesserten Therapiemöglichkeiten ist die Lebenserwartung von MS-Betroffenen in den vergangenen Jahren angestiegen. Inzwischen ist sie so hoch wie die eines gesunden Menschen.

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