Eigentlich ist er ausgebildeter Koch. Seit rund sieben Monaten gehören Cutter, Nadel und Faden zu den Hauptutensilien in seinem Berufsalltag. Heinz Hermann arbeitet im Textilbereich von Brüggli.

Als er letztes Jahr bei einem Engpass in der Textil-Abteilung ausgeholfen hat, hat es ihm so gut gefallen, dass er geblieben ist. Ein Wechsel in einen anderen Bereich war sowieso angedacht – er war davor fünfeinhalb Jahre in der Abteilung Qualität & Service. «Ich hatte natürlich keine Näherfahrung, aber wenn man offen ist für Neues, lernt man schnell». Viel wichtiger, als eine Ausbildung im Nähen sei die Fähigkeit, konzentriert arbeiten zu können. Denn egal ob eine Tasche, ein Verdeck für den bei Brüggli hergestellten Veloanhänger Leggero, ein Organizer für eine Schulklasse oder ein Hundegstältli – der Schnitt muss genau sein und die Naht sitzen. Jedes Stück ein von Hand gefertigtes Unikat. Das macht die Arbeit anspruchsvoll und dank dem breiten Spektrum an Aufträgen abwechslungsreich. Die Exaktheit fordert ein hohes Mass an Konzentration. Sie ist spürbar, es ist angenehm ruhig in der Abteilung. Jeder arbeitet für sich, führt den ihm zugewiesenen Schritt im Herstellungsprozess aus. Heinz schätzt diese Selbständigkeit.

Heinz spürt grosses Vertrauen von den Vorgesetzten.

Die Mitarbeitenden werden gemäss ihren Fähigkeiten eingesetzt – das Ziel: sie fordern, aber nicht überfordern. Jeder neue Mitarbeiter wird gut eingeführt und danach rasch in Aufträge einbezogen. «Ich habe von Anfang an grosses Vertrauen von den Vorgesetzten gespürt, das spornt mich an.» Heinz Hermann schneidet aus gewaschenen Blachen Teile zu, die, nachdem sie durch verschiedene Arbeitsschritte und Hände gewandert sind, zu Taschen werden. In dreieinhalb Monaten seien es 572 Taschen gewesen. Das macht insgesamt über 2800 zugeschnittene Teile. Eine satte Zahl, auf die er schon ein bisschen stolz sei.


Auch am Nähautomaten wurde Heinz angelernt. Dort näht er jeweils drei der fünf Taschenteile zusammen. Wenn er nicht weiterweiss, fragt er andere Mitarbeitende oder die Vorgesetzten. «Die Hilfsbereitschaft ist gross. Viele arbeiten schon seit Jahren hier und haben ein grosses Fachwissen.»

Nähen wird oft für Frauenarbeit gehalten. Da steht Heinz drüber.

Männer sind im Textilbereich untervertreten. Heinz ist einer von drei, den einen Lernenden miteingeschlossen. Natürlich musste er sich auch schon Vorurteile anhören, wie etwa, dass Nähen Frauenarbeit sei. «Das stehe ich drüber. Ich bin ja kein Steinzeitmann.» Das Handwerk mache ihm Spass und glücklicherweise habe er auch keine Berührungsängste mit Nähmaschinen und Schneidwerkzeug. Schon immer sei er an verschiedenen Themen interessiert gewesen, deshalb auch sein untypischer beruflicher Werdegang: von der Küche in die Industrie und jetzt ins Nähatelier. «Ich lerne gerne dazu und mache meine Arbeit möglichst gut.»

«Ich hoffe, noch sehr lange bei Brüggli arbeiten zu können.»

Mit Vorurteilen kennt sich Heinz Hermann leider aus. Sie werden immer dann spürbar, wenn er mit neuen Bekanntschaften auf das Thema Arbeit zu sprechen kommt. «Es ist nicht leicht, zu erzählen, dass ich aufgrund eines schweren Burnouts nicht mehr im ersten Arbeitsmarkt tätig sein kann.»


Um die Arbeit im Textilbereich ist er froh – für ihn die perfekte Mischung: Es gibt viel zu tun, aber der Druck ist so dosiert, dass der Einzelne damit umgehen kann. Zudem erfahren die Mitarbeitenden Lob und Wertschätzung für ihr Tun. Umgekehrt würdigt Heinz seine Vorgesetzten: «Sie sind mehr als nur Vorgesetzte: Es sind Bezugspersonen, mit denen man offen sprechen kann.»
Was wünscht sich Heinz, wenn er in die Zukunft blickt? «Ich hoffe, noch sehr lange bei Brüggli arbeiten zu können.»

Sarina Neuhauser

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein