Wer bin ich und wie liebe ich? Diese Fragen stellen sich Jugendliche oft. Wir wollten verstehen, wie sich eine junge Frau behauptet, die sich der LGBTQ+-Community zugehörig fühlt.

Hope, wie sie sich nennt, um ihre Identität zu schützen, möchte zu sich stehen und anderen Hoffnung machen. Zu lange hat sie ihre Gefühle unterdrückt und sich versteckt. Hope kleidet sich nicht immer weiblich und findet typische Geschlechternormen – zum Beispiel, dass pink nur für Mädchen und blau nur für Jungen ist – nicht gut. Sie hält ausserdem wenig von der gesellschaftlichen Norm, sich als Frau in einen Mann verlieben zu sollen. «Ich verliebe mich in den Charakter, egal welches Geschlecht.» Sie beschreibt sich als Mitglied der LGBTQ+-Community.

«Ich verliebe mich in den Charakter, egal welches Geschlecht.»

LGBTQ+ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle und intersexuelle Personen sowie für Menschen, die von der Norm abweichen. Es geht um die sexuelle Orientierung gegenüber dem Partnergeschlecht, um die eigene Geschlechtsidentität und um körperliche Geschlechtsvariationen. Hope erfährt durch die LGBTQ+-Community das erste Mal, was es heisst, dazuzugehören. Ihr ist es ein Anliegen, ein gemeinsames Verständnis für Menschen zu vermitteln, die von der Norm abweichen. Bereits in der Mittelstufe merkte Hope, dass sie es nicht komisch fand, sich auch in ein Mädchen zu verlieben. Sie lernte ihre erste Freundin über Social Media kennen. «Meine Mitschüler sagten, ich sei nicht normal, dass ich Gefühle für ein Mädchen empfinden kann.» Hope fühlte sich ausgegrenzt und bekam grosse Selbstzweifel. Als sie Zuhause von ihrer Beziehung zu einem Mädchen berichtete, dachten ihre Eltern, es sei nur eine Phase. Hope weiss heute, dass die Eltern damals überfordert waren und klassischere Vorstellungen von der sexuellen Orientierung ihrer Tochter hatten.


Zum damaligen Zeitpunkt wusste sie nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollte und suchte sich Hilfe im Internet. Auf YouTube sah sie sich Erfahrungsberichte von Jugendlichen an, die sich bezüglich ihrer sexuellen Orientierung genauso unverstanden fühlten. So wurde sie auf andere Menschen aufmerksam, die sich an den Werten der LGBTQ+-Community orientierten. Die Unterdrückung von Gefühlen hat bei ihr zu Stimmungsschwankungen, grosser Traurigkeit und sozialer Isolation geführt. Als sie das 10. Schuljahr abgebrochen hatte, begab sie sich in psychologische Behandlung. Danach folgte ein Klinikaufenthalt. Hope wollte nach der Schule eine Ausbildung anfangen. Sie schaffte es zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht, aktiv nach einem Ausbildungsplatz zu suchen. Sie verbrachte zwei Jahre zuhause, ohne Tagesstruktur. Mit dem Entscheid, ihr Leben in die Hand zu nehmen, bemühte sie sich um Unterstützung und erhielt so die Möglichkeit, eine Integrationsmassnahme bei Brüggli zu beginnen. Sie knüpft nun neue Kontakte und übt so, sich den Mitmenschen wieder anzunähern. Ihr Ziel ist, eine Ausbildung absolvieren zu können.

Queer sein bedeutet nicht, «falsch» zu sein, sondern individuell.

Hope möchte nicht in eine Schublade gesteckt werden und doch wird sie es. Sie beschreibt ihre sexuelle Orientierung als pansexuell, möchte sich selbst aber nicht in eine Schublade stecken, da sie keinen Titel braucht, um zu beschreiben, welches Geschlecht sie liebt und welches nicht. Sie findet, dass das Geschlecht kein Hindernis ist, jemanden zu lieben. «Da das Anderssein in Bezug auf die sexuelle Orientierung in unserer Gesellschaft immer noch zu wenig Platz findet, gerate ich oft in eine Schublade», sagt Hope.


Dazugehörig fühlt sie sich bei Brüggli. Hier kann sie sich anderen anvertrauen und hat die Gelegenheit, einen Vortrag über queere Menschen zu halten und den Teamleitern zu erklären, was LGBTQ+ für sie bedeutet. Hope erarbeitet sich neben beruflichen Themen ein Bewusstsein für ihr Anderssein. Sie wünscht sich, dass sich das Arbeitsumfeld über Menschen mit anderen Interessen informiert. Gerne würde sie Eltern ermutigen, Beratungsstellen aufzusuchen, um zu verstehen, wie das eigene Kind denkt, und keine Ablehnung zu zeigen. An ihrer alten Schule möchte sie einen Vortrag darüber halten, was es heisst, wenn man ausgegrenzt und nicht verstanden wird. Von ihrem zukünftigen Arbeitsplatz wünscht sich Hope, dass sie dort offen darüber sprechen kann, welche Werte sie vertritt. Vor einer Verurteilung hat sie dennoch grosse Angst. Gleichzeitig versteht Hope, dass viele Personen Mühe haben mit ihrer Art zu lieben. Oft wird auch innerhalb der LGBTQ+-Community verurteilt. «Wenn ich mir wünsche, verstanden zu werden, so ist es wichtig, dass auch ich selbst andere nicht verurteile», sagt Hope. Ihren wohl schönsten Moment hatte sie an der «Pride» 2019. Die Parade für queere Menschen steht für Toleranz und macht sich für gemeinsame Themen stark. Es ist aber nicht einfach nur eine Parade, sondern auch eine Demonstration für die Rechte der LGBTQ+-Community, um zu zeigen, dass sie auch normale Menschen sind. Hope stand inmitten der Menschenmenge und musste weinen als sie merkte, dass sie sich hier dazugehörig fühlt. Queer oder nicht: Hope ist auf dem Weg und wünscht vielen anderen auch den Mut, für sich einzustehen.

Hopes Wunsch: mehr Verständnis für Menschen, die von der Norm abweichen.

Unterschiedliche Sexualitäten

  • Heterosexuell: Liebe zum anderen Geschlecht
  • Lesbisch (Homosexuell): Gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen
  • Schwul (Homosexuell): Gleichgeschlechtliche Liebe unter Männern
  • Bisexuell: Man fühlt sich zu den zwei binären Geschlechtern (Mann und Frau) hingezogen.
  • Transgender: Jemand, der die ihm aufgrund seines biologischen Geschlechts zugewiesene Geschlechterrolle nicht akzeptiert (sich im falschen Körper fühlen).
  • Transsexuell: Transsexuelle Menschen fühlen sich dem «verkehrten» Geschlecht zugehörig (biologischer Mann fühlt sich als Frau und umgekehrt) und streben häufig eine Geschlechtsumwandlung mittels einer Operation an.
  • Intersexuell: Intersexuelle Menschen können nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Oft sind diese Menschen «doppelgeschlechtlich» also Mann und Frau (Zwitter).
  • Pansexuell: Pansexualität oder Omnisexualität ist eine sexuelle Orientierung, bei der Personen in ihrem Begehren keine Vorauswahl nach Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität treffen.

Tipps

Organisationen

Diesen Beitrag hat eine Klientin in einer Integrationsmassnahme im Rahmen eines Praktikums in Brügglis Unternehmenskommunikation geschrieben. Sie möchte anonym bleiben.

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