Brügglis Social-Media-Fortbildung für Lernende ging im Herbst 2020 in die dritte Runde. Dieses Mal in einer neuen Form: Die Lernenden wählten die zu behandelnden Themen selbst. Das hat sich bewährt – und für interessante Erkenntnisse gesorgt.

«Ich kann posten, was ich will. Da hat mir niemand reinzureden», sagt eine Lernende im Kurs. Einige nicken ihr beipflichtend zu. Andere schütteln den Kopf. Ein Lernender wendet ein, dass es bestimmte Gesetze gibt, an die man sich auch in der digitalen Welt halten muss. Diskriminierende Kommentare und Gewaltaufrufe sind zum Beispiel verboten. Nun nicken alle. In der Fortbildung eine Woche später herrscht weniger Konsens. Beim Thema Hate Speech (zu Deutsch: Hassrede) kommt sofort eine hitzige Diskussion in Gang. Die eine Seite beharrt vehement darauf, dass jeglicher Hass nichts auf Social Media verloren habe. Die andere Seite plädiert für Meinungsfreiheit. Besonders bei Gewaltaufrufen spalten sich die Gemüter. «Hasserfüllte Kommentare sind lediglich eine Meinung und noch keine Gewalt», sagt ein Lernender. Dass ein Gewaltaufruf mit einer hohen Busse bestraft werden kann, empfindet er als diskriminierend. Eine Lernende blickt ihn entsetzt an. «Ich finde solche Aussagen ja auch schlimm, aber es ist doch bloss eine Meinung. Bestraft werden sollten diejenigen, die den Gewaltaufruf in die Tat umsetzen», sagt er. Einigen können sich die beiden Seiten schliesslich darauf, dass es Gesetze gibt, die solche Aussagen verbieten, und dass man Gesetze eben einhalten muss, ob man sie gut findet oder nicht.

Die Bilder stammen von Februar 2020, als die Social-Media-Fortbildungen noch ohne Maske und mit weniger als 1.5 Meter Abstand stattfanden.

Solche intensiven und interessanten Diskussionen waren in den Kursen ein halbes Jahr zuvor nicht aufgekommen. Die Lernenden meldeten sich vereinzelt zwar zu Wort, gingen aber untereinander kaum aufeinander ein. Die Fortbildung wurde deshalb zugunsten der Interaktion umstrukturiert. Der wichtigste Punkt: Aus einer breit gefächerten Themenliste können die Teilnehmenden nun selbst auswählen, welche Themen im Kurs besprochen werden. Das kommt gut an. Ein Lernender sagt am Ende der Fortbildung: «Ich bin positiv überrascht. Es ist toll, dass die Inhalte nicht darauf abzielen, uns zu belehren und alles als schlecht darzustellen, sondern dass wir über die einzelnen Themen diskutieren und unsere Meinung sagen können.» In allen sechs durchgeführten Kursen im Herbst 2020 kommen solche Rückmeldungen. Wer Raum erhält, die eigene Meinung zu sagen, fühlt sich ernstgenommen. Gerade beim Thema Social Media ist es wichtig, den «Digital Natives», also jenen, die mit dem Internet und sozialen Netzwerken aufgewachsen sind, Raum für Meinung und Diskussion zu geben – und zwar auf Augenhöhe. Jemand, der in der virtuellen Welt genauso zu Hause ist wie in der realen, lässt sich wohl kaum von jemandem belehren, der die Stirn runzelt, wenn er von Snaps, Posts und Tweets hört. Das gilt es zu beachten, wenn man eine Social-Media-Fortbildung für Lernende durchführen möchte.

Wer Raum erhält, die eigene Meinung zu sagen, fühlt sich ernstgenommen.

Hören wir uns also an, was die «Digital Natives» zu sagen haben, was sie beschäftigt und womit sie tagtäglich konfrontiert werden, – denn das ist nicht ganz ohne. Praktisch alle Kursteilnehmenden hatten beispielsweise (meist unfreiwillig) schon Kontakt mit pornografischen Inhalten und/oder Gewaltvideos. Eine Lernende sagt: «Heute ist es fast schon normal, dass man als Frau auf Social Media sexuell belästigt wird. Ich glaube, jede Frau in meinem Alter hat schon mal ungefragt ein Dick Pic erhalten.» (Anm. d. R.: Dick Pic ist Englisch und wird umgangssprachlich dafür verwendet, wenn jemand ein Foto von einem (erigierten) Penis verschickt oder erhält). Eine andere Lernende sagt, dass sie sich von all dem gerne distanzieren würde. Sie wolle Instagram, Snapchat und TikTok gar nicht so viel nutzen, aber heute müsse man ja fast auf Social Media sein. «Wenn du da nicht dabei bist, wirst du entweder gemobbt oder bekommst einfach nichts mit.» Solche Aussagen sollten der älteren Generation zu denken geben. Wer jetzt aber denkt, die Jungen sind alle selbst schuld, denn die stellen sich auf Instagram zu Schau und geben auf Snapchat alles preis, ohne an die Folgen zu denken, der irrt. In fünf der sechs durchgeführten Fortbildungen wählten die Lernenden das Thema Datenschutz – manchmal gleich als erstes. Es ist ihnen als durchaus bewusst, dass es Konsequenzen hat, wenn sie etwas ins Netz stellen. Welche da sind, darüber wollen sie besser informiert werden.


Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal die AGBs von Facebook gelesen? Wahrscheinlich nicht. Anmelden, akzeptieren, loslegen. Zehn Seiten über Datenschutz lesen – nein, danke. Vielleicht würden die AGBs aber etwas Licht ins Dunkel bringen und über die möglichen Folgen informieren. Sie tun es tatsächlich, jedoch sehr mühsam und in einer kaum verständlichen Form. Wer die vorherige Frage mit nein beantwortet hat, muss sich keine Vorwürfe machen. Die AGBs sind mit Absicht so geschrieben, dass wir sie nicht lesen wollen. Täten wir das nämlich, würden wohl einige von uns zweimal überlegen, bevor sie auf akzeptieren klicken. Denn da stehen haarsträubende Dinge, über die wir eigentlich Bescheid wissen sollten. Wie bringt man diese Inhalte nun verständlich an die Lernenden, ohne sie zu belehren? Während der Schulung wurden bewusst kontroverse Fragen gestellt, die zu Diskussionen anregen. Und es wurde gezielt nach der Meinung der Teilnehmenden gefragt. Es stellte sich heraus, dass da bereits viel Wissen und Weitsicht vorhanden ist – viel mehr als die ältere Generation den Jungen vielleicht zugestehen würde.

Facebook weiss alles über uns.

Praktisch allen Lernenden ist klar, warum soziale Netzwerke unsere Daten sammeln: Sie nutzen die Informationen über uns und unser Verhalten, um uns gezielt Werbung zeigen zu können. Damit verdienen die Netzwerke ihr Geld. Denn auch im Internet ist nichts gratis, auch wenn wir das oftmals denken. Um Social Media wie Facebook, Instagram und TikTok nutzen zu können, bezahlen wir zwar nicht mit Geld, dafür aber mit unseren Daten. Auf die Frage, was die Netzwerke denn genau an Daten sammeln, antworten die Lernenden meist mit betretenem Schweigen. Lediglich ein Lernender meldet sich sofort zu Wort und sagt: «Alles.» Damit liegt er genau richtig. Alle Informationen, die wir in den Profileinstellungen angeben wie Name, Geburtsdatum, Wohnort usw., aber auch alles, was wir posten wie Texte, Bilder und Videos, wird gesammelt. Das betrifft auch verstecke Daten. Zum Beispiel zeichnen soziale Netzwerke auf, wie lange wir uns darin aufhalten und mit welchen Posts wir wie interagieren. So finden Social-Media-Plattformen heraus, was uns gefällt und woran wir interessiert sind. Die Aussage «Facebook weiss alles über uns» ist deshalb kaum übertrieben. Erstaunt hat das in der Fortbildung niemanden. Im Abschluss-Quiz zum Thema Datenschutz wussten aber trotzdem nicht immer alle die richtige Antwort. So hatten praktisch alle Teilnehmenden einen kleinen Aha-Moment, manche auch einen Oh-mein-Gott-WAS?!-Moment. Testen Sie sich gleich selbst mit dem angefügten Quiz. Hätten Sie alles gewusst?

Larissa Herzog


Datenschutz-Quiz

1. Facebook erhält Daten und Informationen über mich, auch wenn ich gar kein Facebook-Profil habe.
Korrekt. Zum Beispiel, wenn jemand anderes Facebook den Zugriff auf seine oder ihre Kontakte erlaubt, die auf dem Smartphone abgespeichert sind. Oder wenn ich eine Plattform nutze, die Facebook gehört (z.B. Instagram).

2. Wenn ich mein Profil lösche, werden auch alle meine Daten gelöscht.
Falsch. In den AGBs von Facebook steht beispielsweise, dass innert 90 Tagen alle Daten gelöscht werden, ausser die Daten, die mit anderen Profilen verknüpft sind. Wenn also jemand meinen Post liked, teilt oder kommentiert, ist der Post nicht mehr nur mit mir, sondern auch mit der anderen Person verknüpft. Wenn ich mein Profil lösche, bleibt der Post also mit dem Profil der anderen Person verknüpft und wird erst gelöscht, wenn diese Person ihr Profil ebenfalls löscht.

3. Facebook kennt meine Telefonnummer, obwohl ich sie nie hinterlegt habe.
Korrekt. Zum Beispiel, wenn ich die Telefonnummer in einem anderen Netzwerk angegeben habe, das Facebook gehört (z.B. WhatsApp).

4. Soziale Medien nutzen Technologien, um Gesichter zu erkennen.
Korrekt. Wenn wir ein Bild mit Personen posten, wird uns deshalb manchmal vorgeschlagen, ob wir die entsprechenden Personen markieren möchten. Netzwerke erkennen, wer auf dem Foto abgebildet ist.

5. Wenn ich ein Bild auf eine Plattform lade, übertrage ich das Recht an meinem Bild automatisch an den Plattformbetreiber.
Korrekt. Das steht sogar so in den AGBs von Facebook und Instagram. So haben die Netzwerke also grundsätzlich das Recht, meine Bilder für ihre Zwecke zu verwenden.

6. Ich darf auf Facebook mehrere Profile einrichten und dazu falsche Namen verwenden.
Falsch. In den AGBs von Facebook und Instagram ist das ausdrücklich verboten. Jedoch unternehmen die Netzwerke meist wenig gegen Fake-Profile. Immerhin können solche Profile gemeldet werden. Die Erfahrung hat gezeigt: Je mehr Menschen ein Fake-Profil melden, desto schneller reagieren die Netzwerke und löschen es.

Fragen und Inputs der Lernenden in den Social-Media-Fortbildungen

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